Advocacy
Was ist Advocacy-Arbeit?
Wir vertreten als Nichtregierungsorganisationen die Interessen der Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen in den Philippinen gegenüber den menschenrechtlichen Ausschüssen und Gremien der internationalen Zusammenarbeit der Bundesregierung und der internationalen Organisationen, wie der Europäischen Union (EU) und den Vereinten Nationen (United Nations/UN).
Dort bringen wir zu strategisch günstigen Zeitpunkten Statements ein, informieren politischen Entscheider:innen und Multiplikator:innen zielgruppengerecht und vernetzen uns mit philippinischen und internationalen Partner:innen um u.a. gemeinsame Side-Events zu den Sitzungsperioden der Menschenrechtsgremien der EU und der UN zu organisieren.
Menschenrechte in den Philippinen
Die Philippinen haben sich durch die Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) sowie der Ratifizierung verschiedener UN-Menschenrechtsabkommen zum Schutz, der Achtung und der Gewährleistung der Menschenrechte verpflichtet. Die Umsetzung in der philippinischen Verfassung von 1987 sowie weiteren Abkommen wie der Bill of Rights und Institutionen wie der philippinischen Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights/CHR) verankert. Von den neun bedeutendsten UN-Menschenrechtsabkommen haben die Philippinen acht ratifiziert, darunter den UN-Sozialpakt und den UN-Zivilpakt. Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen wurde bisher nicht von den Philippinen ratifiziert. Die nationale Gesetzgebung zum Verschwindenlassen (Anti-Enforced Disappearance Act) von 2012 wurde bisher nicht genutzt.
Dennoch hat die Zahl der Menschenrechtsverletzungen, von denen philippinische Partner:innenorganisationen berichtet und die sie selber erlebt haben, seit 2001 kontinuierlich zugenommen.
Unter der ehemaligen Regierung von Rodrigo Duterte (2016-2022) kamen neue Formen von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Anti-Drogen-Kampagne der Regierung oder dem sogenannten „Krieg gegen die Drogen” hinzu. Außergerichtliche Hinrichtungen wurden im großen Maßstab zur vermeintlichen Bekämpfung der Drogenkriminalität eingesetzt. Laut Schätzungen der CHR und verschiedener Menschenrechtsgruppen forderte Dutertes Anti-Drogen-Kampagne 2018 mindestens 27.000 Todesopfer. Die meisten dieser Opfer stammten aus der ökonomisch ärmeren Bevölkerungsschicht. Bei der juristischen Aufarbeitung dieser Tötungsfälle wurden bisher keine signifikanten Fortschritte erzielt. Einzig in zwei Tötungsfällen kam es seit 2016 zur Verurteilung der Täter: Im Fall des 17-jährigen Kian delos Santos im Jahr 2018 sowie im Fall des 19-jährigen Carl Angelo Arnaiz und 14-jährigen Reynaldo “Kulot” de Guzman im Jahr 2023.
Nicht nur das Fehlen gründlicher Ermittlungen und das dysfunktionale Justizsystem, sondern auch die menschenrechtsfeindliche und gewaltverherrlichende Rhetorik von Duterte förderten die weitverbreitete Straflosigkeit im Land.
Während Dutertes sechsjähriger Amtszeit kam es verstärkt zu Verschwindenlassen, willkürlichen Verhaftungen, konstruierten Anklagen, Einschüchterungen und Repressionen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger:innen, Indigenen, Journalist:innen und Mitgliedern der politischen Opposition. Das im Juli 2020 verabschiedete Anti-Terrorismus Gesetz (Anti-Terrorism Act/ATA) wurde aufgrund der vagen und weit gefassten Definition des Begriffs „Terrorismus“ zu einem gängigen Werkzeug, Regierungskritiker:innen einzuschüchtern bzw. mundtot zu machen. Vor allem die umstrittene National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC) hat das ATA vermehrt zur Diffamierung von Menschenrechtsverteidiger:innen genutzt. Diese wurde als zentrales Umsetzungsorgan für Dutertes politische Strategie zur Beendigung des kommunistischen Aufstands nach Executive Order 70 (EO70) geschaffen.
Am 30. Juni 2022 hat Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr., der Sohn des ehemaligen Diktators Marcos, nach einem deutlichen Wahlsieg das Präsidentenamt übernommen. Sara Duterte-Carpio, die Tochter des ehemaligen Präsidenten, wurde Vize-Präsidentin. Die Menschenrechtslage bleibt jedoch weiterhin besorgniserregend. In unterschiedlichen internationalen Foren hat Präsident Marcos Jr. das Engagement seiner Regierung für Menschenrechte bekräftigt. Der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber präsentiert sich Marcos Jr. offen und kooperationsbereit. Klare Maßnahmen, die eine tatsächliche Verbesserung der Menschenrechtssituation erkenntlich machen, bleiben aber aus.
Präsident Marcos Jr. führt bis dato die repressive Politik der Vorgängerregierung weiter. Er hat bisher keine Maßnahmen ergriffen, die die Straflosigkeit bekämpfen noch die politische Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger:innen beendet. Trotz einer angeblichen neuen Schwerpunktsetzung auf Rehabilitation in der Anti-Drogen-Kampagne der Regierung, auch BIDA-Programm genannt („Buhay Ingatan, Droga’y Ayaw“/ “Kümmere dich um dein Leben, nimm keine Drogen“, November 2022), finden laut Dokumentation des Third World Study Center der University of the Philippines (Dahas-Projekt) drogenbezogene Tötungen weiter statt. Die philippinisch Regierung weigert sich weiterhin vollumfänglich mit den Ermittler:innen des Internationalen Strafgerichtshofs zusammenzuarbeiten, wenn es um mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kontext des „Kriegs gegen die Drogen“ geht. Gemeint ist damit der Zeitraum zwischen 2011 und 2019, als Rodrigo Duterte Bürgermeister und Vizebürgermeister von Davao City bzw. Präsident der Philippinen war.
Die zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräume werden auch unter Marcos Jr. weiter eingeschränkt. Die Regierung kriminalisiert gezielt Menschenrechtsverteidiger: innen und nutzt dafür Schwachstellen des dysfunktionalen Justizsystems sowie Gesetze zur Terrorismus- und Geldwäschebekämpfung. Das besonders von Ex-Präsident Duterte geprägte Narrativ, Menschenrechte seien eine „terroristische Idee“, bleibt seit dem Regierungswechsel unverändert bestehen. Die sich häufenden red-tagging-Angriffe und die Nutzung des ATA gegen Menschenrechtsverteidiger:innen haben das Narrativ sogar verstärkt.
Red-tagging ist eine Praxis, bei der Individuen und Organisationen als „terroristisch“ gebrandmarkt und beschuldigt werden, Mitglieder oder Unterstützer:innen der bewaffneten kommunistischen Rebellengruppe New People’s Army (NPA) zu sein. Red-tagging führt meist zur weiteren Diffamierung, Kriminalisierung und endet in vielen Fällen tödlich. Auch Gerichtsprozesse zahlreicher inhaftierter Menschenrechtsverteidiger:innen ziehen sich weiter ohne Urteil über viele Jahre hin. Während nach der AMP-Dokumentation (siehe AMP-Menschenrechtsberichte) ein leichter Rückgang von Tötungen von Menschenrechtsverteidiger:innen unter Marcos Jr. zu verzeichnen ist, nehmen Fälle von erzwungenen Verschwindenlassen insbesondere seit 2023 zu.
Dokumentation von konkreten Fällen
Das AMP dokumentiert und begleitet konkrete Fälle von Verschwindenlassen, politischer Morde und Kriminalisierungen von Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen, die die Muster von strukturellen Menschenrechtsverletzungen verdeutlichen.
Eine aktuelle Liste Fälle politischer Morde an Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen erscheint im AMP-Menschenrechtsbericht von 2014, 2017, 2019 und 2022 für die jeweiligen Monitoringzeiträume.
Verschwindenlassen
Politische Morde
Kriminalisierung
Lobby-Aktivitäten
Das AMP wirkt mit den Lobbyinstrumenten der Zivilgesellschaft auf politische Entscheider:innen und Multiplikator:innen in Deutschland wie auch in der EU und UN ein, mit dem Ziel zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation in den Philippinen beizutragen. Damit verschaffen wir unseren Anliegen und denen unserer philippinischen Partner:innen auf internationalem Parkett Gehör.
Die internationale Lobbyarbeit für die Philippinen wird zunehmend wichtiger, da wir stetig schrumpfende Räume für die philippinische Zivilgesellschaft im eigenen Land beobachten müssen.
Zu den AMP Lobby-Aktivitäten zählen u.a. folgende Mechanismen:
Bundesregierungsebene: Aide-Memoire für das Forum Menschenrechte, AMP-Menschenrechtsbericht, IAN-Dossier, Parlamentarische Fachgespräche
Download (PDF): AMP-Bericht: Menschenrechte in den Philippinen 2022
Download (PDF): Aide Mémoire 2023 – Philippinen
Download (PDF): IAN-Dossier Menschenrechte 2024: Aktuelle Lage in 16 Ländern
EU-Ebene: Joint Letters
Download (PDF): Joint Letter on GSP+ for Philippines 2018 (Engl.)
UN-Ebene: Zivilgesellschaftlicher Schattenbericht zum UPR-Verfahren (Universal Periodic Review), Side-Events bei Sitzungen des UN-Menschenrechtsrats
Download (PDF): Joint Submission to the Summary of Stakeholders Report for the UPR 2022 (Engl.)