Nach einem Jahr im Amt hat Präsident Ferdinand Marcos Jr. wenig zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in den Philippinen beigetragen, wie Human Rights Watch in einer Analyse vom Juni 2023 festhält. Marcos führte die repressive Politik der Vorgängerregierung unter Ex-Präsident Rodrigo Duterte weiter. Dazu zählt die politische Verfolgung und Bedrohung von Menschenrechtsverteidiger:innen, insbesondere durch die Praxis des sogenannten „Red-tagging“ (also die fälschliche Bezichtigung den kommunistischen Aufstand zu unterstützen) und die Kriminalisierung linker Gruppen, sowie Umwelt-, Indigenen- und Arbeitsrechtsaktivist:innen. Auch das erzwungene Verschwindenlassen von Aktivist:innen in den ländlichen Regionen hat kein Ende genommen, wie die kürzlichen Fälle in den Kordilleren unterstreichen. Ebenso bleibt die Pressefreiheit maßgeblich eingeschränkt und die Leben von Medienarbeitenden durch Einschüchterungen und Übergriffe unterdrückt. Die Vizepräsidentin wurde nun im Mai 2023 Vorsitzende der National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC) und hat als Bildungsministerin bereits einige Journalist:innen, Lehrer:innen und Aktivist:innen als vermeintliche kommunistische Terrorist:innen gebrandmarkt.
Außergerichtliche Hinrichtungen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ finden der unabhängigen Dokumentation des universitären Projekts DAHAS zufolge – auch wenn zu geringeren Ausmaß – weiterhin unter Präsident Marcos statt; offizielle Zahlen der Regierung sind schwer zugänglich. Der Polizeichef der Philippine National Police (PNP) Rodolfo Azurin Jr. bekannte sich im November 2022 zu 46 ermordeten Personen. DAHAS berichtete hingegen am 10 Juli 2023 von mindestens 347 Ermordungen im Zusammenhang mit Anti-Drogenoperationen der PNP. Politikwissenschaftler Sol Iglesias hebt hierbei hervor, dass „wenn eine nachfolgende Regierung weiterhin die Verbrechen oder potenziellen Verbrechen der vorherigen Regierung schützt, ist das bereits eine Institutionalisierung der Straflosigkeit“.
Die Oppositionspolitikerin und Ex-Senatorin Leila de Lima ist weiterhin aufgrund politischer Motivationen inhaftiert. Unter der Duterte Administration wurde sie 2017 aufgrund ihrer Investigationen in den „Krieg gegen die Drogen“ festgenommen. Ihr Antrag auf Kaution wurde abgelehnt – dies obwohl die zunächst geltenden Zeug:innenaussagen zurückgezogen wurden und sie von zwei der drei fabrizierten Anklagen freigesprochen wurde.
Gegen Ex-Präsident Duterte wird am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ermittelt, wobei die Untersuchung von der philippinischen Regierung laufend in Frage gestellt wird. Aktuell entscheidet der IStGH darüber, ob die Petition der Regierung geltend ist, um die Untersuchung erneut einzustellen. Obwohl Präsident Marcos Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen die Drogen“ unter der Duterte-Administration im Mai 2023 anerkannte, bleibt dies eine „leere Rhetorik“, wie die Menschenrechtsgruppe Karapatan äußerte, denn die Rechenschaftspflicht der Regierung, die Täter:innen der Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen steht weiterhin aus.
HRW fordert von Präsident Marcos nicht nur bloße Statements über Demokratie, sondern das Befolgen der Gesetze und ein „aufrichtiges Bekenntnis“ zu Menschenrechten. Zudem soll „Marcos einen Bruch mit der Vergangenheit zeigen und konkrete, messbare Fortschritte beim [Schutz von] Menschenrechten vorweisen“.
Foto © Raffy Lerma