Die philippinische Regierung hat am 19. Mai 2023 einen erneuten Versuch unternommen, ihre Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) bezüglich dessen Untersuchung wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ unter R. Duterte – während seiner Zeit als Präsident der Philippinen und Bürgermeister von Davao City (2011-2019) – anzufechten.
In ihrem Antwortschreiben an den IStGH bezüglich des aktuellen Berufungsverfahrens, argumentiert die philippinische Regierung, dass die erste Voruntersuchung der ehemaligen IStGH-Anklägerin Fatou Bensouda im Jahr 2018 – die noch vor dem Austritt der Philippinen im März 2019 eingeleitet wurde – bereits eine Prüfung der mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen die Drogen“ darstelle.
Im Januar 2023 gab die IStGH-Vorverfahrenskammer die Untersuchung in den Philippinen zur Wiederaufnahme frei, welche seit November 2021 stillstand. Die Regierung konnte nicht nachweisen, ausreichende nationale Ermittlungen in den Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen im „Krieg gegen die Drogen“ durchzuführen. Dagegen legte die philippinische Regierung Berufung ein, worin sie vor allem argumentierte, dass dies ihre Souveränität verletzen würde. Am 4. April 2023 legte der Ankläger Karim Khan eine 56-seitige Antwort vor, in der er den IStGH aufforderte, den Antrag des Landes abzulehnen.
Überlebende und Opfer des „Krieg gegen die Drogen“ fordern die Fortführung der Untersuchungen, da sie ihre Aussichten, Gerechtigkeit unter der jetzigen Marcos-Regierung zu erhalten weiterhin „nicht auf greifbare, konkrete und fortschrittliche Ermittlungsschritte hinauslaufen, die die Untersuchung des Rechnungshofs hinreichend widerspiegeln würden“. Dies bekräftigten 350 betroffenen Individuen und 165 Familien in einem 21-seitigen Bericht, den sie über die Victims Participation and Reparations Section (VPRS) des IStGHs am 22. Mai 2023 einreichten, um die Durchführung der Untersuchung aus der Betroffenenperspektive zu fördern. Darin betonen sie insbesondere den bestehenden Mangel an Dokumentation von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen sowie staatlicher Interventionen bzw. Untersuchungen.
In den nächsten zwei bis drei Monaten wird die Berufungskammer des IStGH eine Entscheidung treffen, ob Khan seine Untersuchung in den Philippinen weiterführen kann. Falls dies eintreffen sollte, wäre der IStGH-Chefankläger jedoch weiterhin mit der Schwierigkeit der fehlenden bzw. unterstützenden Polizeigewalt in den Philippinen konfrontiert.
Die EU begrüßte zudem während des jährlichen EU-ASEAN Business Council Abendessen in Manila Ende Mai 2023 die EU-befürwortende Position der Philippinen im Ukraine-Russland Krieg und bekräftigte ihre Unterstützung hinsichtlich der Souveränitätsansprüche der Philippinen im Konflikt innerhalb des West-Philippinischen Meers. Präsident Marcos Jr. rief außerdem zur Wiederaufnahme der Gespräche zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Philippinen auf. Handelssekretär Alfredo Pascual äußerte, dass er dies wie auch den Stand der Neubewerbung der Philippinen für das Generalised Scheme of Preferences (GSP+) im Rahmen seines Besuchs im Juni 2023 in Brüssel thematisieren wird.
Das GSP+ ermöglichte den Philippinen bisher Handelspräferenzen auf über 6,000 Exportprodukte in die EU, solange u.a. internationale Menschenrechtsstandards eingehalten werden. Die unzureichende Verbesserung der Menschenrechtslage in den Philippinen brachte für die EU eine erneute Genehmigung der Handelspräferenzen im nächsten Zyklus im Jahr 2024 ins Schwanken.
Foto © Raffy Lerma