Seit der Wiederaufnahme der Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im Januar 2023 zum sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ unter Rodrigo Duterte – während seiner Zeit als Präsident der Philippinen und Bürgermeister von Davao City (2011-2019), hat die philippinische Regierung unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. ihre Haltung gegenüber dem IStGH mehrmals geändert.
In einer überraschenden Wendung haben die Ausschüsse für Menschenrechte und Justiz des Repräsentant:innenhauses am 29. November 2023 Resolutionen gebilligt, die Marcos auffordern, mit der Untersuchung des IStGH zusammenzuarbeiten und dem Gremium wieder beizutreten. Der Präsident hatte kurz zuvor, am 24. November, bekannt gegeben, eine möglichen Wiederbeitritt der Philippinen zum IStGH zu prüfen. Marcos hatte die Zusammenarbeit mit dem IStGH seit seinem Amtsantritt im Juni 2022 kontinuierlich abgelehnt.
Seit Beginn des Jahres 2024 kursierten zunehmend Gerüchte, dass die Ermittler:innen des IStGHs bereits im Dezember 2023 in den Philippinen vor Ort waren. Zudem sollen dabei bereits genügend Beweise gegen den ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte gesammelt worden sein, sodass bald ein Haftbefehl erlassen werden könnte, so erklärte der ehemalige Senator Antonio Trillanes IV. Auch der ehemalige Abgeordnete der Bayan Muna-Parteiliste und einer der Anwält:innen von Angehörigen von Opfern des sogenannten „Kriegs gegen die Drogen“, Neri Colmenares, glaubt, dass die IStGH-Ermittler:innen Schlüsselzeug:innen bereits befragt haben und ohne Benachrichtigung an die philippinische Regierung ins Land gereist sein könnten.
Im Januar 2024 nahm Präsident Marcos erneut eine ablehnende Haltung zum IStGH ein. In einem Interview am 23. Januar bezeichnete er den internationalen Gerichtshof als Bedrohung für die Souveränität des Landes und betonte, dass die Regierung keinerlei Unterstützung für die Untersuchungen des IStGH zum den Untersuchungen im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen die Drogen“ der vorherigen Duterte-Regierung leisten werde. Der Präsident erklärte auch, dass die IStGH-Ermittler:innen zwar als „gewöhnliche Menschen“ in die Philippinen reisen könnten, die Regierung jedoch ihre Handlungen strikt überwachen werde, insbesondere wenn sie mit Behörden sprechen möchten. Diese Aussagen folgten auf die Forderung von Senator Ronald „Bato“ dela Rosa, dass die Regierung klarstellen sollte, ob sie IStGH-Ermittler:innen die Einreise in das Land erlaubt hat. Das Justizministerium gab jedoch an, keine offizielle Mitteilung, Kenntnis über deren Anwesenheit erhalten zu haben. Internationale Gremien würden zudem die Zustimmung der relevanten Behörden benötigen, so das Ministerium.
Laut Trillanes werde die Tochter des Ex-Präsidenten und Vizepräsidentin, Sara Duterte, aufgrund der Zeugenaussage eines geständigen Auftragsmörders für das Davao Death Squad, das für zahlreiche drogenbezogene Tötungen verantwortlich sein soll, als „sekundäre“ Angeklagte im Fall wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den IStGH einbezogen. Gemäß der Aussage von Arturo Lascañas, einem pensionierten Polizeibeamten, soll Sara Duterte in die drogenbezogenen Tötungen in Davao City involviert gewesen sein. Duterte soll die „Oplan-Tokhang“-Methode (auf Deutsch: „Klopfen“ und „höfliche Aufforderung“) fortgesetzt haben, nachdem sie 2010 das Amt als Bürgermeisterin von Davao City von ihrem Vater übernommen hatte. Die Vizepräsidentin leugnet jegliche Beteiligung und bezeichnete die Vorwürfe als politisch motiviertes „Skript“. Sara Duterte erklärte, dass sie jeder Anschuldigung gegenüberstehen werde, jedoch ausschließlich vor einem philippinischen Gericht.
Laut Einschätzungen von lokalen Menschenrechtsanwält:innen würde es wahrscheinlich einige Zeit dauern, bis der IStGH Haftbefehle gegen philippinische Staatsbeamt:innen ausstellen wird.
Foto © Raffy Lerma