Wieso ist Marcos Jr. als Präsidentschaftskandidat so beliebt?

Die Philippinen stehen kurz vor der Präsidentschaftswahl am 9. Mai. Wie es dazu kommen konnte, dass Ferdinand Marcos Jr., der Sohn eines ehemaligen Diktators, als Präsidentschaftskandidat in den Wahlumfragen ganz vorne liegt, thematisieren zahlreiche Nachrichtenberichte und Wahlbeobachter*innen.

Die US-amerikanische Nachrichtenorganisation Mother Jones fasst die scheinbaren Wiedersprüche seines Wahlkampfes wie folgt zusammen: „Marcos Jr. wurde in den 1990er Jahren wegen Steuervergehen verurteilt, hat aber nie eine Haftstrafe verbüßt. Er hat sich geweigert, mit den anderen Kandidat[*innen] zu debattieren, ist ernsthaften Interviews aus dem Weg gegangen und hat sich auf eine massive Desinformationskampagne verlassen, um jegliche Kritik als ‚Fake News‘ abzuwenden.“ Diese Desinformationskampagnen sind allerdings nicht neu. Seitdem der ehemalige Diktator und Vater von Marcos Jr. 1986 durch die People Power Revolution gestürzt wurde betrieb die Familie ein systematisches „Whitewashing“ historischer Fakten, um ihre politische Dynastie zu erhalten und sich langsam wieder in der Lokal- und letztlich in der Nationalpolitik zu etablieren. Weniger als zwei Wochen vor der Wahl lobte Marcos Jr. seinen Vater als „politisches Genie“ und seine Mutter als „höchste Politikerin“.

Welche Mechanismen in Marcos Jr.‘s langfristig aufgebauten Desinformations-Wahlkampf greifen, untersuchte die Kommunikationsprofessorin Cheryll Soriano. Sie deckte narrative Netzwerke auf YouTube auf. Durch Algorithmen gelangen YouTube-Nutzer*innen auf ähnliche und dementsprechend bestätigende Inhalte, wodurch das Gefühl entsteht, „die Wahrheit entdeckt zu haben“. Dabei arbeitete Soriano folgende zentrale Narrative heraus: (1) Stolz und Hoffnung: die Philippinen als ehemalige Großmacht (unter Ferdinand Marcos Sr.) und die Möglichkeit, diesen Status zurückzugewinnen; (2) philippinische Staatsangehörige müssen ihre Heimat nicht mehr verlassen und sich im Ausland „versklaven“ lassen; (3) das Bestreben, die Philippinen zu einer „echten Demokratie“ zu machen; (4) die Identität von Marcos als größter Staatsführer soll Zweifel an den Korruptionsvorwürfen erzeugen; das „Gold“ der Marcos Familie soll den wirtschaftlichen Aufschwung in den Philippinen ankurbeln.

Bisher verweigerte Ferdinand Marcos Jr. die Teilnahme an fast allen Podiumsdiskussionen und Kandidat*innen-Debatten im Wahlkampf – abgesehen von einer Veranstaltung des SMNI-Netzwerk des umstrittenen und Duterte-nahen Pastors Apollo Quiboloy. „Das Land muss wissen, wofür [Marcos Jr. und Sara Duterte] stehen. […] Es ist eine Beleidigung für die Jugend, dass sie nicht an den Debatten teilnehmen“, so Vizepräsidentschaftskandidat Walden Bello. Im Falle seiner Wahl möchte Marcos Jr. in seinem Programm die Pandemiebekämpfung und den wirtschaftlichen Aufschwung priorisieren. Weitere Punkte sind die Unterstützung des Agrarsektors, Verkehrsentlastung in Metro Manila, Förderung von erneuerbaren Energien sowie die Weiterführung der Aufstandsbekämpfung. Außerdem wolle er gemeinsam mit China eine Lösung für den Konflikt im Südchinesischen Meer aushandeln und die bilateralen Beziehungen zu den USA und zu Russland stärken.

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Auf der Spur der Desinformations- und Propagandamaschinerie von Marcos – Rappler

Wie die brutale Geschichte der Philippinen für die Wähler*innen “weißgewaschen” wird – The Washington Post

Updates zu den Wahlen 2022 – Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen (AMP)

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