Wahlbeobachtungen – Ein Rückblick auf den Wahlkampf und den Wahltag

10. Juni 2022 | Human Rights News, Innenpolitik

Im Zuge der philippinischen Präsidentschaftswahlen am 9. Mai 2022 wurde eine Vielzahl an Wahlverstößen beobachtet. Am 19. Mai 2022 veröffentlichte die Internationale Wahlbeobachtungsmission (International Observer Mission, IOM) einen vorläufigen Bericht, mit Beobachtungen in den Regionen Luzon, Visayas, Mindanao sowie der Hauptstadtregion Metro-Manila. Aus dem Bericht geht hervor, dass insbesondere die vorangegangene dreimonatige Wahlkampfperiode von Einschüchterungen, wie massivem „Red-Tagging“ (also der fälschlichen Anschuldigung, Unterstützer*in des kommunistischen Aufstands zu sein), Morden und der Überwachung von Kandidat*innen und deren Unterstützer*innen geprägt war. Unmittelbar davor und während des Wahltages wurden außerdem der Kauf von Wähler*innenstimmen und Mängel beim Wahlablauf beobachtet.

In einem Analyseartikel im „The Philippine Star“ schließt Autor Jarius Bondoc, es gäbe Hinweise für Wahlbetrug, aber keine Beweise. Am Wahltag fielen zunächst 1.800 Stimmauszählungsmaschinen (Vote Counting Machines, VCMs) aus. Zudem sei die Auszählung durch die philippinische Wahlbehörde (Commission on Elections, COMELEC) ungewöhnlich schnell erfolgt. Besonders auffällig sagt Bondoc, seien die Zählungskurven der Kandidat*innen: Anstatt zunächst zu schwanken und später abzuflachen, stiegen sie von Beginn an gleichmäßig an. Außerdem wurden die gesetzlichen Bestimmungen zu automatisierten Wahlsystemen (Automated Election Systems, AES) nicht eingehalten.

Bei der COMELEC sind 1.111  Beschwerden wegen Stimmenkauf eingegangen (Stand 30. Mai 2022). Allerdings konnten davon nur drei Beschwerden samt Beweisen und eidesstattlicher Erklärung für ein Verfahren genutzt werden. Unabhängige Wahlbeobachter*innen gehen davon aus, die Stimmenkäufe haben sich insbesondere auf die Wahlergebnisse auf lokaler Ebene ausgewirkt. Laut dem ehemaligen Journalisten Art Bonjoc warteten manche Wähler*innen in Mindanao in den Nächten vor dem 9. Mai zuhause auf Mittelspersonen, um eine Zahlung zwischen 20 und 5.000 Pesos für ihre Stimme zu erhalten. Kandidat*innen, die in den Wahlumfragen vorne lagen, allerdings nicht in den Stimmenkauf investiert haben, hätten letztlich die Wahl verloren. Cong Corrales, ein Koordinator der #FactFirstPH-Initiative, hebt außerdem hervor, dass Desinformationen bezüglich lokalpolitischer Ämter kaum dokumentiert wurden. Insbesondere lokale Radiosender waren in den Provinzen stark in die Verbreitung falscher Nachrichten verwickelt.

Am Wahltag selbst führten Schießereien in bzw. vor Wahlbüros in Mindanao zu insgesamt sieben Toten. Am 30. April 2022 wurde Alvin Mendoza, der als Stadtrat in San Fernando City kandidierte, erschossen. Im Februar 2022 berichtete das Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen bereits über Extralegale Tötungen und Gewalt im Wahlkampf.

„Ob die Vorwürfe [zu Wahlverstößen] den letztendlichen Wahlausgang beeinflusst hätten, ist […] unklar. Aber es deutet darauf hin, wie sehr sich die Demokratie auf den Philippinen […] während der sechsjährigen Amtszeit von Duterte verschlechtert hat,“ schreibt Sebatian Strangio vom The Diplomat.

Lesen Sie hier das Statement des Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen zu den Präsidentschaftswahlen von 2022 (engl.).

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