Der Menschenrechtsausschuss des Repräsentant:innenhauses der Philippinen hat am 22. Mai 2024 eine Befragung bzw. Untersuchung zu den drogenbezogenen Tötungen oder außergerichtlichen Hinrichtungen im Kontext des sogenannten „Kriegs gegen die Drogen“ unter der Amtszeit von Ex-Präsident Rodrigo Duterte eingeleitet.
Während den ersten Anhörungen prüften die Abgeordneten die Maßnahmen, die das philippinische Justizministerium (Department of Justice/DOJ) zur Zeit der Duterte-Administration hinsichtlich der steigenden Zahl drogenbezogener Tötungen im Zuge der Anti-Drogen-Einsätzen der Polizei ergriffen hatte. Der ehemalige Justizminister und aktuelle Generalstaatsanwalt Menardo Guevarra erklärte, dass das DOJ von ihren über 6.000 gemeldeten drogenbezogenen Tötungen mehr als 900 Beschwerden gegen Polizeibeamt:innen untersucht habe. Dabei habe das DOJ nur 52 Fälle priorisiert, bei denen die Aussicht auf eine Gerichtsverhandlung ausreichend war. Das National Bureau of Investigation (NBI) enthüllte jedoch, dass bis zum 5. Juni 2024 von den 52 Fällen bereits 30 Fälle eingestellt wurden.
Der Abgeordnete Joseph Stephen Paduano stellte während einer Anhörung auch Fragen zur ursprünglichen Leitlinie der philippinischen Nationalpolizei (Philippine National Police/ PNP), das Command Memorandum Circular 16-2016, auch „Projekt Double Barrel“ genannt, welche u. a. die Grundlage für die Operationalisierung der umstrittenen „Oplan-Tokhang“-Methode in der Anti-Drogen-Kampagne der Regierung („anklopfen“ und „bitten“) bildete. Paduano kritisierte, dass die PNP-Chefs unter Duterte, Ronaldo „Bato“ Dela Rosa und Oscar Albayalde, keine Änderungen vornahmen, obwohl drogenbezogene Tötungen bei den PNP-Operationen auftraten. Die aktuelle PNP-Führung betonte später, dass sie seit dem 12. April 2022 einer neuen PNP-Leitlinie folge, nämlich der „Anti-Illegal Drugs Operation thru Reinforcement and Education“ (ADORE). ADORE sei moderater als die 2016 PNP-Leitlinie formuliert und räume z.B. Verfahrensfehler oder die Täuschung von Beweisen der PNP bei vorherigen Anti-Drogen-Operationen ein.
Während der Anhörung konzentrierten sich die Abgeordneten auf bereits bekannte Fakten und Daten. Als Menschenrechtsanwalt Jose Manuel Diokno eine Resolution des Obersten Gerichtshofs (OGH) von 2018 erwähnte, die die Dokumentation von 20.322 drogenbezogenen Tötungen im Kontext der Anti-Drogen-Kampagne der ehemaligen Duterte-Regierung benannte, zeigten sich einige Abgeordnete unwissentlich.
Angehörige von drogenbezogenen Tötungsopfern waren bei den bisherigen Anhörungen der Befragung mit drei Personen weniger stark vertreten. Auch wenn der Abgeordnete Bienvenido Abante den Angehörigen Schutz zusicherte, hatten laut Generalsekretärin der National Union of People’s Lawyers (NUPL) Kristina Konti viele zu große Angst vor Vergeltungsmaßnahmen. Die Effektivität der Untersuchung stehe auch wegen der Abwesenheit von Ex-Präsident Duterte und seinem ehemaligen Polizeichef Dela Rosa in Frage. Diese seien laut dem Abgeordneten Abante über die Anhörung informiert, wurden aber nicht eingeladen.
Die Studie „Pathways to Justice: A Public Report on Domestic Accountability“ der Initiative for Dialogue and Empowerment through Alternative Legal Services (IDEALS) stellte fest, dass 95 Prozent der untersuchten mutmaßlichen drogenbezogenen Tötungen entweder nie untersucht oder behördlich nicht weiterverfolgt wurden. Diese Entwicklung wird von den befragten Familien von Opfern als mangelnder Wille für echte Untersuchungen durch die Regierung bewertet.
Die nächste Anhörung zu diesem Thema ist für den 26. Juni 2024 angesetzt.
Foto © Raffy Lerma