Am 8. Mai 2024 formte Präsident Ferdinand Marcos Jr. unter Administrative Order Nr. 22 (AO22) einen neuen Ausschuss (Special Committee on Human Rights Coordination), der bestehende „Mechanismen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in den Philippinen verbessern“ soll. Dieser sogenannte „Superbody“ soll zudem „Errungenschaften des United Nations Joint Programme on Human Rights (UNJP)“, eine drei-jährige technische Zusammenarbeit zwischen der UN und der philippinischen Regierung und am 31. Juli 2024 ausläuft, „durch die Institutionalisierung eines robusten Multi-Stakeholder-Prozesses […] erhalten und verbessern“. Bestehende, ähnliche Mechanismen, wie das AO35, das politische Morde aufdecken sollte, hatten sich bisher als unzureichend erwiesen.
Der Ausschuss ist im Presidential Human Rights Committee (PHRC) verortet und wird von Exekutivsekretär Lucas Bersamin als Vorsitzender und Justizminister Crispin Remulla als stellvertretender Vorsitzender geleitet; Unterstützung bieten dabei der Leiter des Außenministeriums (Department of Foreign Affairs/DFA) und des Innenministeriums (Department of Interior and Local Government/DILG).
Das AO22 verursachte bei lokalen Menschenrechtsorganisationen Verunsicherung und Besorgnis aus. Dieser „unnötige bürokratische Aufwand“, wie Amnesty International den neuen Mechanismus bezeichnete, sei laut Karapatan eine „Taktik, um sich der Rechenschaftspflicht [für Menschenrechtsverletzungen] zu entziehen“. Das UNJP hatte zivilgesellschaftlichen Organisationen zufolge sein Ziel bereits verfehlt, Täter:innen von schweren Menschenrechtsverletzungen im Kontext des sogenannten „Kriegs gegen die Drogen“ zur Rechenschaft zu ziehen. „Warum etwas weiterführen, das bereits gescheitert ist“, fragte Carlos Conde von Human Rights Watch (HRW) am 14. Mai 2024 in einem Interview mit Rappler. Eine unabhängige Untersuchung des UNJPs gab es bisher nicht. Eine zivilgesellschaftliche Forderung, das UNJP auf Basis eines verbesserten Formats zu verlängern, erhielt keine Unterstützung von der philippinischen Regierung.
Der neue Ausschuss inkludiert weder zivilgesellschaftliche Gruppen noch die unabhängige philippinische Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights/CHR), welche zentrale Rollen im UNJP nahmen. Fragwürdig ist für Conde daher auch, warum zivilgesellschaftliche Gruppen nicht einmal von der Regierung für die Zusammenstellung des neuen Ausschusses konsultiert wurden. Die CHR hat das AO22 jedoch in einem Statement „als einen Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt. Conde zufolge wäre die CHR als unabhängige Institution mit ihrem seit 1987 bestehenden Mandat, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, in der „besten Position“ die Aufgaben des neuen Ausschusses zu übernehmen.
Beunruhigend sei auch, dass die Mitglieder des AO22 dieseleben Mitglieder des umstrittenen Anti-Terrorismus-Rats (Anti-Terrorism Council/ATC) sind, die bereits zahlreiche Menschenrechtsverteidiger:innen zu vermeintliche Terrorist:innen erklärt haben. Zudem sei die Möglichkeit des neuen Ausschusses, weitere Regierungsbehörden, wie der ATC oder die umstrittene nationale Taskforce zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Aufstands (National Task Force to End Local Communist Armed Conflict/NTF-ELCAC), als „Beobachter:innen“ einzuladen besorgniserregend. Die NTF-ELCAC ist für das „Red-tagging“ (d.h., Individuen oder Organisationen als „terroristisch“ zu brandmarken) von Menschenrechtsaktivist:innen bekannt.
Conde kritisierte zudem, dass das AO22 eher ein „politischer Schachzug“ ist, um den Schein zu wahren, die Regierung würde die Menschenrechtssituation im Land ernsthaft verbessern wollen. Wenn die Regierung das wirklich wollte, erklärte Conde, wäre sie bereit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in ihrer Untersuchung zu mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kontext des sogenannten „Kriegs gegen die Drogen“ zusammenzuarbeiten.
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