Die philippinische Menschenrechtsverteidigerin, Lehrerin und alleinerziehende Mutter einer minderjährigen Tochter, Zara Alvarez,wurde am Abend des 17. August 2020 in der Nähe ihrer Wohnung in Bacolod City auf der Insel Negros von bisher unbekannten Täter*innenermordet. Die Mitglieder des Aktionsbündnis Menschenrechte–Philippinen(AMP) sind schockiert und in tiefer Trauer über den Mord an Zara Alvarez. Unsere Gedanken sind bei Zaras Familie, Freunden und Kolleg*innen.Zara Alvarez war eine engagierte und anerkannte Menschenrechtsaktivistin und Community Organizerin, die sich vor allem in ihrer Heimat, der philippinischen Insel Negros, für landlose Kleinbäuer*innen und Landarbeiter*innen einsetzte.
Dabei arbeitete sie eng mit anderen Menschenrechts-NGOs und kirchlichen Organisationen zusammen. Zuletzt arbeitete sie bei der Gesundheitsorganisation NIHIP-CD (Negros Island Health Integrated Programm for Community Development). Das AMP hat den Einsatz von Zara Alvarez für entrechtete Kleinbauernfamilien und Opfer von Menschenrechtsverletzungen über viele Jahre begleitet. Die Repressionen, denen sie ausgesetzt war, thematisierte das AMP bereits in seinem Menschenrechtsbericht 2014. Zara Alvarez engagierte sich auch international für Menschenrechte in den Philippinen.
So nahm sie etwa im Oktober 2019 auf Einladung des AMP als Referentin in Berlin und Potsdam aneiner gemeinsamen Tagung mit der Friedrich Naumann Stiftung zum Thema „Rechtsstaatlichkeit“ teil. ZaraAlvarez erhielt seit Jahren Morddrohungen. Dies hatte bereitsin der Regierungszeit von Gloria Macapagal Arroyo begonnen undführte schließlich zu einer fingierten Anklage gegen sie sowie zu ihrer unrechtmäßigen Verhaftung im Oktober 2012. Dabei wurde sie vom philippinischen Militär beschuldigt, Mitglied der kommunistischen Rebellengruppe New People’s Army (NPA) zu sein und auf Basis gefälschter Beweise des Mordes angeklagt. Zara Alvarez blieb daraufhin für fast zwei Jahre inhaftiert. Das Verfahren wurde jahrelang verschleppt und diente offensichtlich dem Zweck, ihre Arbeit einzuschränken und ihre Familie, Kolleg*innen und die Öffentlichkeit einzuschüchtern.
Erst im März dieses Jahres, acht Jahre nach der Anklageund Verhaftung, wurde Zara Alvarez aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ungeachtet des Freispruchswurde Zara Alvarez weiterhin diffamiert, als Terroristin denunziert und litt unter Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen sich und ihre Familie. Im Februar 2018 wurde sie in einer Anklageschrift des philippinischen Justizministeriums -neben 600 weiteren Personen –erneut beschuldigt, eine kommunistische Terroristin zu sein. Sie erhielt weitere Todesdrohungen und lebte unter der großen Belastung andauernder Lebensgefahr und Rechtsunsicherheit.Die jahrelang andauernde Repression gegen Zara Alvarez gipfelte schließlich in ihrer Ermordung.
Seit Jahren weist das AMP darauf hin, dass der philippinische Staat unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung brutal gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und andere zivilgesellschaftliche Kräfte vorgeht. Deren Einsatz für Menschenrechte, eine saubere Umwelt, eine gerechte Landverteilung und die Rechte von Indigenen soll dadurch von Seiten der Regierung behindert und delegitimiert werden. In diesem Kontext ist das erst Anfang Juli verabschiedete Anti-Terrorismusgesetz zu verstehen, das auf einer weit gefassten Definition von Terrorismus basiert und rechtstaatliche Verfahren zum Schutz von Verdächtigen demontiert. Vor allem aber dient das Gesetz dazu, Repression und Gewalt bis hin zu extralegalen Tötungen gegen zivilgesellschaftliche Akteur*innenzu legitimieren. Zara Alvarez ist eines von vielen Opfern der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage in den Philippinen.
Unter Präsident Duterte sind die Philippinen eines der Länder mit den meisten Morden an Menschenrechtsverteidiger*innen – mindestens 182 solcher Morde wurden seit Dutertes Amtsantritt 2016 dokumentiert. Die Zahl dieser extralegalen Tötungen nimmt stetig zu. Allein in den letzten 18 Monaten wurden 48 Menschenrechtsverteidiger*innen ermordet.
Das Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen verurteilt den Mord an Zara Alvarez scharf und fordert die philippinische Regierung auf:
- Den Mord an Zara Alvarez umgehend aufzuklären und sowohl Täter*innenals auch Drahtzieher*innendes Verbrechens strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen,
- Alle Einschüchterungen, Drohungen und Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen in den Philippinen durch staatliche Sicherheitskräfte, Staatsbedienstete und Regierungsvertreter*innen umgehend einzustellen,
- Das kürzlich verabschiedete Anti-Terrorismusgesetz wieder zurückzunehmen.
Wir fordern außerdem die Bundesregierung Deutschlanddringendauf:
- Den Mord an Zara Alvarez umgehend und öffentlich zu verurteilen,
- Sich nachdrücklich für ein Ende der Straffreiheit in den Philippinen im Rahmen der diplomatischen Beziehungen einzusetzen,
- Sich im UN-Menschenrechtsrat für eine Fortsetzung des Untersuchungsmechanismus zu strukturellen Menschenrechtsverletzungen in den Philippinen einzusetzen,
- Sich in der EU dafür einzusetzen, dass Menschenrechtsverletzungen und insbesonderedie angekündigte Wiedereinführung der Todesstrafe als schwerwiegende Verstöße gegen internationale Abkommen behandelt werden und entsprechende Konsequenzen für die Handelsbeziehungen haben – etwa die Suspendierung der Handelspräferenzen die den Philippinen im Rahmen des GSP+-Mechanismus gewährt werden,
- Die philippinische Zivilgesellschaft und ihre menschenrechtlichen Forderungen an die EU und die UN zu unterstützen