Marcos Regierung lehnt IStGH Verfahren ab, außergerichtliche Hinrichtungen gehen weiter

19. September 2022 | "War on Drugs", Human Rights News

Am 8. September 2022 verkündete die philippinische Regierung, das Ansuchen des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hinsichtlich der Wiederaufnahme der Untersuchung in die zahlreichen außergerichtlichen Hinrichtungen im Kontext des so-genannten „Krieg gegen Drogen“ des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte abzulehnen. Die Regierung argumentiert, dass die benannten Tötungsfälle nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten. Zudem gäbe es laut der Regierung bereits laufende relevante Untersuchungen. Ein kürzlicher IStGH-Bericht zeigt jedoch auf, dass „keine stichhaltigen Beweise gefunden wurden“, die darauf hinweisen, die Regierung würde ernsthafte Untersuchungen zu den Drogenkrieg-bedingten Tötungsfällen durchführen.

Menschenrechtsgruppen fordern in Hinblick auf die im September 2022 stattfindende 51. Sitzung des UN-Menschenrechts eine weitere UN-Resolution und eine unabhängige Untersuchung hinsichtlich der außergerichtlichen Tötungen im Zusammenhang mit der „Anti-Drogen-Kampagne“ in den Philippinen, um Gerechtigkeit für die vielen Tötungsopfer zu sichern. Der Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte vom 13. September 2022 erkennt die Fortschritte der technischen Kooperation zwischen der UN und der philippinischen Regierung im Rahmen des UN Joint Programmes hinsichtlich der Stärkung innerstaatlicher Rechenschaftsstrukturen an. Zudem verweist der Bericht auf verbleibende Herausforderungen wie der begrenzte Zugang zur Justiz für Opfer von außergerichtlichen Hinrichtungen. In den Empfehlungen an die philippinische Regierung listet die UN unter anderem die Überarbeitung der „Anti-Drogen-Kampagne“ und die „Verabschiedung der vorgeschlagenen Gesetze zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen“.

Die Marcos Administration hat betont die „Anti-Drogen-Kampagne“ mit einem Fokus auf Prävention und Rehabilitation weiterzuführen. Ohne einer „eindeutigen öffentlichen Anordnung zur Beendigung der mutmaßlichen Missbräuche im Drogenkrieg“ bleibt die Erklärung der Regierung jedoch unglaubwürdig, wie die NRO Human Rights Watch kürzlich feststellte. Nichtsdestrotrotz finden die brutalen außergerichtlichen Hinrichtungen weiterhin statt und Straflosigkeit für Täter*innen bleibt bestehen:

Vor den Augen seiner Familie haben beispielsweise zwei Unbekannte auf Motorrädern am 8. August 2022 in Ibajay Aklan den ehemaligen Barangay-Vorsitzenden von Bagacay, Mhelvin Cabales, überfallen und erschossen. Ein weiterer Unbekannter erschoss am 11. August auf dem Quezon Boulevard in Barangay 25-C in Davao City einen 28-jährigen Mann in einem öffentlichen Jeepney. Am Tag zuvor wurde der Barangay-Vorsitzende von Anurturu, Roberto de Ocampo, in Rizal, Cagayan, ebenfalls von zwei Unbekannten auf Motorrädern erschossen. In Catbalogan City, Samar, wurden zwei Männer am 17. und 18. August tot im Meer gefunden, nachdem sie eine Fiesta im Barangay Darahuway Dako besucht hatten. Am 21. August wurden zwei noch nicht identifizierte Leichen mit mutmaßlichen Schusswunden in San Miguel, Bulacan, entlang einer Straße in einem abgelegenen Dorf gefunden. Am darauffolgenden Tag wurden vier weitere Tote in einem geparkten Auto in Montalban, Rizal aufgefunden.

Unter vielen Angehörigen von Tötungsopfern im „Krieg gegen Drogen“ herrscht Angst auch ermordet zu werden. Das Amparo-Verfahren kann hierbei einen gewissen Schutz bieten. Die philippinische Menschenrechtskommission hat am 18. August 2022 die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs begrüßt, das Amparo-Verfahren als Schutz gegen außergerichtliche Tötungen anzuwenden.

Am 9. August hat der Oberste Gerichtshof die Ausstellung eines Amparo-Schreibens für die Witwe Christina Gonzales bestätigt. Das Gericht hat zuvor den Tod ihres Ehemanns Joselito Gonzales bei einem Drogeneinsatz der Polizei in Antipolo City ausdrücklich als einen Fall „außergerichtlicher Hinrichtung“ anerkannt. Frau Gonzales habe „Grund zu der Befürchtung, dass ihrem Leben das gleiche Schicksal widerfahren würde wie dem ihres getöteten Mannes“, so das Gericht.

Das Berufungsgericht empfahl schon im April 2019 die Erhebung von zivil-, straf- und verwaltungsrechtlicher Klagen gegen die Strafverfolgungsbeamten und erließ eine dauerhafte Schutzanordnung, die es ihnen untersagt, sich in einem Umkreis von einem Kilometer um Gonzales‘ Wohn- und Arbeitsadresse zu bewegen.

Ein Amparo-Verfahren wird auch von anderen progressiven Gruppen ersucht, wie zum Beispiel im Fall der vermissten Aktivist*innen Elizabeth “Loi” Magbanua and Alipio “Ador” Juat.

 

Photo © Raffy Lerma

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