Der so-genannte „Quad-Ausschuss“ des philippinischen Repräsentant:innenhauses hat eine erneute Untersuchung der außergerichtlichen Hinrichtungen (Extrajudicial Killings/EJK) im Zusammenhang mit dem so genannten „Krieg gegen die Drogen“ des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte gefordert. Mehrere Mitglieder des Ausschusses brachten das Ansuchen während einer Anhörung am 21. Januar 2025 zur Sprache, da die Zahl der verurteilten Polizeibeamt:innen im Verhältnis zur Zahl der Menschen, die bei Anti-Drogen-Operationen der Polizei getötet wurden, gering ist. Dies war das erste Mal, dass das gesetzgebende Gremium ausdrücklich eine erneute Untersuchung der ungelösten EJK-Fälle erwähnte, bei denen es sich nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen um etwa 30.000 Zivilist:innen handelt, die im Rahmen von Dutertes „Krieg gegen die Drogen“ getötet wurden.
Trotz der Tausenden von Opfern der Antidrogenkampagne hat die philippinische Nationalpolizei nur 52 Fälle zur weiteren Untersuchung an das Justizministerium weitergeleitet. 32 dieser Fälle wurden Berichten zufolge von den Behörden abgeschlossen, ohne dass Strafanzeige erstattet wurde.
Eine erneute Untersuchung der Morde würde eine ordnungsgemäße Anklage vor Gericht ermöglichen, sagte der Ko-Vorsitzende des Quad-Ausschusses, Bienvenido Abante. Er glaubt, dass die Polizei die Morde aufgrund der Politik des ehemaligen Präsidenten nicht ordnungsgemäß untersucht hat. Die Ermittler:innen sehen sich nun mit vielen anderen Hindernissen konfrontiert, wie z. B. wenig Beweismaterial, der Abweisung von Beschwerden und dem Widerwillen der Familien der Opfer, Fälle weiter zu verfolgen.
Der Quad-Ausschuss hat bereits Zeug:innenaussagen veröffentlicht, die Duterte direkt in den „Krieg gegen die Drogen“ verwickeln, wie die eidesstattlichen Erklärungen der ehemaligen Polizeiobersts Royina Garma, die das Belohnungssystem der Kampagne und die Davao-Todesschwadron des ehemaligen Präsidenten (Davao Death Squad) bestätigen. Der Ausschuss hat empfohlen, eine Klage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Duterte und seine Verbündeten einzureichen. Zudem schlug dieser die Einrichtung eines Gremiums vor, das EJKs im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen die Drogen“ überprüfen soll.
In der Zwischenzeit wurden Diskussionen darüber geführt, wie EJKs rechtlich zu behandeln sind. Am 22. Januar schlug das Büro des Generalstaatsanwalts (Office of Solicitor General, OSG) eine Änderung des revidierten Strafgesetzbuchs (Revised Panel Code/RPC) vor, um EJKs als Verbrechen gegen Personen einzustufen und den Gesetzentwurf Nr. 10986 des Repräsentant:innenhauses mit dem RPC zu harmonisieren. Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, EJKs als abscheuliches Verbrechen einzustufen und zu bestrafen und gleichzeitig Wiedergutmachung für die Opfer zu leisten. Die Maßnahme, die als Anti-EJK-Gesetz bezeichnet wird, wurde am 11. Oktober 2024 vom Quad-Ausschuss auf der Grundlage der Ergebnisse von dessen Anhörungen zu EJKs im Zusammenhang mit Dutertes „Krieg gegen die Drogen“ eingereicht.
Die philippinische Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights/CHR) argumentierte während einer Anhörung des Justizausschusses des Repräsentant:innenhauses am 22. Januar 2025, dass EJKs als eigenständiges Verbrechen und nicht als erschwerender Umstand in Mordfällen behandelt werden sollten. Die CHR-Anwältin Jasmin Navarro-Regino betonte, dass EJKs ein systemisches Problem darstellen, das Straflosigkeit und Machtmissbrauch beinhaltet, und dass die Anerkennung von EJKs als eigenständiges Verbrechen für eine effektive Rechenschaftspflicht entscheidend ist.
Die Debatte darüber, ob EJKs separat klassifiziert oder in die RPC integriert werden sollten, wurde fortgesetzt. Menschenrechtsgruppen und die Menschenrechtskommission plädierten für ein eigenständiges Gesetz, während die OSG die Aufnahme von EJKs in das RPC befürwortete, um die Strafverfolgung zu vereinfachen.
Darüber hinaus unterzeichnete Präsident Ferdinand Marcos Jr. am 22. Januar 2025 die Verwaltungsverordnung Nr. 29 (Administrative Order No. 29), mit der eine behördenübergreifende technische Arbeitsgruppe für die Gründung eines Nationalen Instituts für Forensik (National Forensics Institute/NFI) gebildet wurde, um die forensischen Fachkenntnisse im Land zu verbessern. Marcos Jr. erklärte, dass die Philippinen bereits während des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Genf im Dezember 2023 zugesagt hätte, ein NFI zu errichten. Die technische Arbeitsgruppe (Technical Working Group/TWG) wird vom Büro des Exekutivsekretärs und dem Justizministerium geleitet. Zu den Mitgliedern gehören neben anderen Regierungsstellen auch der Menschenrechtsausschuss des Präsidenten (Presidential Human Rights Committee) und die Universität der Philippinen in Manila. Die TWG hat den Auftrag, eine umfassende Studie und Empfehlungen zur Einrichtung eines NFI vorzulegen.
Foto © Raffy Lerma