Menschenrechtsexpert:innen der Vereinten Nationen riefen im Juni 2023 zum Ende des weltweiten sogenannten „Krieges gegen die Drogen“ auf, welcher sich vor allem auf arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen auswirkt – wie es auch der Fall in den Philippinen ist. Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch und illegalen Handel 2023 erklärten die UN-Expert:innen, die internationale Gemeinschaft müsse den Ansatz der Kriminalisierung und Bestrafung durch eine Politik ersetzen, die Gesundheit und Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt.
Während der Amtszeit von Ex-Präsident Rodrigo Duterte (2016-2022) erkannte die philippinische Regierung mehr als 6.200 außergerichtliche Hinrichtungen an, die von der Polizei verübt wurden – lokale Menschenrechtorganisationen gehen jedoch von rund 30.000 Ermordungen aus. Obwohl Präsident Marcos den Fokus seiner Anti-Drogen Kampagne im November 2022 auf Rehabilitation anstatt Strafverfolgung setzte, gehen die Morde auch unter seiner Führung weiter.
Die brutale Polizeigewalt und Straflosigkeit im „Krieg gegen die Drogen“ sind der Öffentlichkeit in den Philippinen durchaus bekannt gewesen. Dennoch unterstützte die breite philippinische Bevölkerung das harte bzw. tödliche Vorgehen von Ex-Präsident Duterte in der vermeintlichen Eindämmung der illegalen Drogen. Seine Unterstützer:innen nutzen dabei seine moralische Begründung mittels einer entmenschlichenden und kriminalisierenden Rhetorik gegen Konsument:innen illegaler Drogen, dass diese der Gesellschaft weiteren Schaden bzw. Kriminalität bringen würden. Das „Nanlaban“-Narrativ (übersetzt „zurückkämpfen“) wurde für die Rechtfertigung der Morde im „Krieg gegen die Drogen“ von Duterte verstärkt herangezogen – nämlich, dass die selbst vulnerablen Polizist:innen lediglich aus Eigenwehr handelten. Nach diesem Narrativ wird die maßlose Polizeigewalt nicht nur verharmlost sondern lässt auch die unverhältnismäßige Viktimisierung von armen Bevölkerungsgruppen und den sozialpolitischen Ursachen des „Krieg gegen die Drogen“ im Unklaren.
Im Rahmen des United Nations Joint Programmes (UNJP) wurde von UN-Sonderberichterstatter für extralegal, summarische und willkürliche Hinrichtungen, Dr. Morris Tidball-Binz, Anfang Juli 2023 ein technisches Training zur Umsetzung des Minnesota Protokolls in den Philippinen durchgeführt. Das UNJP ist eine seit Juli 2021 bestehende technische Zusammenarbeit zwischen der UN und den Philippinen, was die philippinische Regierung dabei unterstützen soll, die Fälle außergerichtlicher Hinrichtungen im Zuge von Polizeieinsätzen in geeigneter Form zu untersuchen. Das Programm sieht auch die Ausstellung von Einladungen an UN-Sonderberichterstatter:innen vor – welche unter Duterte keinen Zutritt mehr ins Land erhielten.
Das Minnesota Protokoll zeigt Richtlinien zur Vorgehensweise von Ermittlungen und der Strafverfolgung bei potenziell rechtswidrigen Todesfällen nach internationalen Standards auf. Vertreter:innen der philippinische Nationalpolizei, dem National Bureau of Investigation, der nationalen Menschenrechtskommission und zivilgesellschaftlicher Organisationen nahmen am Training teil. Das Minnesota Protokolls existiert nun auch in der philippinischen Landessprache Filipino und bietet eine Anleitung, wie Fälle außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und erzwungenes Verschwindenlassen untersucht werden sollen.
Laut Tidball-Binz seien das Training und die Implementation des Minnesota Protokolls notwendige Maßnahmen, um den außergerichtlichen Hinrichtungen in den Philippinen ein Ende zu setzen. Auch die forensischen Pathologin Dr. Raquel Fortun besuchte das Training. Ihre unabhängigen Autopsien der sterblichen Überreste von Opfern des „Kriegs gegen die Drogen“ im Jahr 2022 hat in einigen Fällen nachweisen können, dass keine natürliche Ursachen (wie in den Totenscheinen angegeben), sondern Schusswunden zum Tode führten. Ihre Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit von obligatorischen Autopsien, gerade wenn diese nicht mit den Todesursachen in Polizeiberichten und medizinischen Protokollen übereinstimmen. Der zukommen zulassen.
Foto © Raffy Lerma