In einem aktuellen Bericht warnt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), dass philippinische Staatsbeamt:innen sowie die Nationale Taskforce zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts (National Task Force to End Local Communist Armed Conflict/ NTF-ELCAC) zunehmend Gewerkschafter:innen mittels der Praxis des sogenannten „Red-tagging” schikaniert haben (d.h., Individuen oder Organisationen als „terroristisch“ zu brandmarken).
Am 25. September 2024 veröffentlichte HRW einen Bericht zur Bedrohungslage von Gewerkschafter:innen in den Philippinen. Der Bericht spiegelt auch Erkenntnisse des Global Rights Index 2024 wider, der die Philippinen seit acht Jahren unter den zehn Ländern mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen einreiht. Nachforschungen von HRW in der Region südlich von Manila, wo viele internationale Unternehmen in „Sonderwirtschaftszonen“ (Special Economic Zones) aktiv sind, zeigten, dass Gewerkschafter:innen regelmäßig von staatlichen Sicherheitskräfte durch insbesondere „Red-tagging“ bedroht werden. Staatliche Sicherheitskräfte, häufig in Begleitung von Gemeinde-Beamt:innen, sollen demnach wiederholt Wohnhäuser bekannter Gewerkschafter:innen aufsuchen, um die Gewerkschaftsarbeit als mutmaßlich subversive Tätigkeiten zu diskreditieren und die Betroffenen als angebliche Anhänger:innen der kommunistischen, bewaffneten Rebellengruppe New People’s Army (NPA) darzustellen.
Bryony Lau, stellvertretende Asien-Direktorin von HRW, erklärte, die „mitunter tödliche Praxis des ‚Red-tagging‘ durch die philippinische Regierung“ sei zu einer ernsthaften Bedrohung für Arbeitsrechte geworden. Lau zufolge müsse Präsident Ferdinand Marcos Jr. dafür sorgen, dass Regierungsbeamt:innen diese missbräuchliche Praxis des „Red-tagging“ beenden und das Recht auf gewerkschaftliche Organisation und Tarifverhandlungen wahren. HRW mahnt, dass es auch in der Verantwortung von ausländischen Unternehmen liege, sicherzustellen, dass ihre philippinischen Arbeitnehmer:innen vor Schikanen und Gewalt im Zusammenhang mit „Red-tagging“ geschützt werden; andernfalls gingen sie das Risiko ein, sich an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig zu machen.
Am 29. September 2024, dem ersten Todestag des getöteten Gewerkschaftsführers Jude Fernandez, forderte die Parteiliste Gabriela Präsident Ferdinand Marcos Jr. auf, die Tötung von Arbeitsrechtsaktivist:innen zu beenden. Am 29. September 2023 haben Sicherheitskräfte der philippinischen Nationalpolizei (Philippine National Police-Criminal Investigation and Detection Group/PNP-CIDG) Fernandez im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung in Binangonan in der Provinz Rizal mit dem Argument der Selbstverteidigung erschossen. Der Fall ist bis heute unaufgeklärt geblieben.
Der zivilgesellschaftliche Ruf nach einer rechtlichen Basis für erhöhten Schutz der Rechte von Menschenrechtsverteidiger:innen hat auf lokaler Ebene ersten Anklang gefunden: Am 24. Oktober 2024 lobte die philippinische Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights/CHR) die Provinz Basilan für die Verabschiedung ihrer ersten Verordnung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen als wichtigen Schritt angesichts der zunehmenden Bedrohungen gegen Aktivist:innen im Land.
Am 14. Oktober 2024 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht zu den Auswirkungen von „Red-tagging“. Der Bericht dokumentierte, wie die aktuelle Regierung unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. sowie die Regierung von Ex-Präsident Rodrigo Duterte digitale Werkzeuge, Falschinformationen und das nationale Anti-Terrorismus-Gesetz (Anti-Terrorism Act) zur Einschüchterung von jungen Menschenrechtsverteidiger:innen eingesetzt hätten. Amnesty verwies hier auch klar auf die dabei häufig angewendete Praxis des „Red-tagging“. Ein Anstieg der Fälle von „Red-tagging“ im Jahr 2018 wird von Amnesty auch in Verbindung mit der im gleichen Jahr gegründeten NTF-ELCAC gebracht, die bekannt für gezieltes „Red-tagging“ von Menschenrechtsverteidiger:innen ist.
Im Rahmen der Berichtsveröffentlichung kritisierte Amnesty International das Unternehmen Meta für ihre unzureichende „Content-Moderation“ von Beiträgen auf ihrer Sozialen-Medienplattform Facebook, wodurch das „Red-tagging“ von jungen Menschenrechtsverteidiger:innen sichtlich gefördert wird. Dadurch wird laut Amnesty weiterer Missbrauch legitimiert, wie willkürliche Verhaftungen und erzwungenes Verschwindenlassen von Aktivist:innen. Jonathan Malaya, stellvertretender Direktor des philippinischen Nationalen Sicherheitsrats, äußerte sich zu den Erkenntnissen des Amnesty-Bericht frustriert und bezeichnete diesen als „einseitig, irreführend und unbegründet“.
Foto © Raffy Lerma