UN-Sonderberichterstatterin Irene Khan kritisiert die Defizite der philippinischen Regierung in Bezug auf die Meinungsfreiheit

In einem Bericht, der dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (United Nations Human Rights Council/UNHRC) am 18. Juni 2025 vorgelegt wurde, gab die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit Irene Khan eine kritische Einschätzung der Menschenrechtssituation in den Philippinen unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. und hob die anhaltenden Herausforderungen für die Presse- und Meinungsfreiheit im Land hervor.

Khan räumte zwar einige Verbesserungen im Vergleich zur früheren Regierung von Rodrigo Duterte ein, stellte jedoch fest, dass ein bedeutender Wandel nach wie vor schwer zu erreichen ist. Probleme wie die Praxis des so genannten „Red-tagging“, die Unterdrückung abweichender Meinungen und eine anhaltende Kultur der Straflosigkeit untergraben weiterhin die Meinungsfreiheit und die Sicherheit von Journalist:innen.

„Red-tagging“, d.h. die Praxis, Aktivist:innen, Journalist:innen und Regierungskritiker:innen ohne Beweise als „kommunistisch“ oder „terroristisch“ zu bezeichnen, ist trotz offizieller Dementis der Regierung weiterhin weit verbreitet. Khan verurteilte diese Praxis, die Schikanen, willkürliche Verhaftungen und sogar Tötungen ermöglicht. Allein zwischen Januar und Juni 2024 wurden 467 Fälle von „Red-tagging“ dokumentiert.

Die UN-Expertin empfahl konkrete Schritte zur Beendigung dieses Missbrauchs, darunter die Änderung des umstrittenen Anti-Terrorismus-Gesetzes (Anti-Terrorism Act/ATA) von 2020 und die Abschaffung der Nationalen Task Force zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts (National Task Force to End Local Communist Armed Conflict/NTF-ELCAC), einer Behörde, die für ihre „Red-tagging“-Angriffe gegen Aktivist:innen kritisiert wird. Khan forderte die Philippinen außerdem auf, Terrorismus gemäß den UN-Resolutionen als Handlungen gegen Zivilist:innen zu definieren, die in der Absicht begangen werden, Tod oder schwere Verletzungen zu verursachen.

In Khans Bericht wurde auch die Inhaftierung der Journalistin Frenchie Mae Cumpio hervorgehoben, die seit über fünf Jahren ohne Verurteilung wegen fragwürdiger Anschuldigungen im Zusammenhang mit illegalem Waffenbesitz und Terrorismusfinanzierung festgehalten wird. Internationale Organisationen für Pressefreiheit haben ihre sofortige Freilassung gefordert und ihre lange Inhaftierung als eine „Travestie der Justiz“ verurteilt.

Mindestens vier Medienschaffende wurden unter der Marcos-Regierung ermordet, und Khan stellte fest, dass die Untersuchung der Verbrechen nur langsam vorankommt.

Khan kritisierte die Presidential Task Force on Media Security (PTFOMS) wegen ihrer schwachen Durchsetzung und ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit bei Journalisten. Die Taskforce soll sich in Koordination mit anderen Behörden mit Drohungen und Belästigungen gegen Journalist:innen befassen. Khan erwähnte, dass die PTFOMS nicht in allen Polizeistationen funktioniere und nicht einmal bekannt sei. Sie forderte auch eine Reform der PTFOMS, damit sie über die „notwendige institutionelle Unabhängigkeit“ verfüge. Khan forderte außerdem wichtige Reformen, darunter die Entkriminalisierung von Verleumdung und die Ernennung eines:einer Sonderstaatsanwält:in, der:die Verbrechen gegen Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger:innen überwachen soll.

Khan drängte auch auf die Verabschiedung eines echten Gesetzes über die Informationsfreiheit, das internationalen Standards entspricht, und kritisierte die Marcos Jr. Regierung für ihre weitreichenden Ausnahmeregelungen, die den öffentlichen Zugang zu Informationen einschränken. Sie empfahl außerdem, dem Internationalen Strafgerichtshof wieder beizutreten und wichtige Menschenrechtsabkommen zu ratifizieren, um den Rechtsrahmen des Landes zu stärken.

Lokale Journalist:innengruppen, darunter die National Union of Journalists of the Philippines (NUJP), haben sich Khans Forderungen angeschlossen. Die NUJP dokumentierte 177 Verstöße gegen die Medienfreiheit seit dem Amtsantritt von Marcos Jr., von denen viele den Unterdrückungstaktiken der Duterte-Ära ähneln. Sie betonten die Notwendigkeit, Gesetze wie das ATA aufzuheben oder zu reformieren und die Beschränkungen für alternative Medien aufzuheben.

Der Stadtrat von Baguio unterstützte Khans Bericht und Empfehlungen einstimmig und verurteilte die Befugnis des Anti-Terrorismus-Rates, Personen als „Terrorist:innen“ ohne ordnungsgemäßes Verfahren zu deklarieren, und forderte die lokalen Behörden auf, zweifelhafte Terrorismusfälle gegen Aktivist:innen zu überprüfen. Baguio hat sich zu einer integrativen Menschenrechtsstadt erklärt und lokale Maßnahmen zur Bekämpfung des „Red-tagging“ ergriffen.

Die philippinische Regierung wies Khans Bericht zurück, verteidigte ihre Politik der Aufstandsbekämpfung und bestritt ein systematisches „Red-tagging“. Sie behauptet, dass die ATA und die NTF-ELCAC zur Bekämpfung von Aufständen und Terrorismus notwendig seien. Sie betont auch, dass die Philippinen ihre eigene Definition von „terroristisch“ haben, die im ATA festgelegt ist; das ATA wurde jedoch wegen seiner extrem weit gefassten und vagen Definition von Terrorismus weithin kritisiert.

In ihrer offiziellen Antwort stellte die philippinische Regierung ebenfalls fest, dass die PTFOMS weiterhin von der Regierung geleitet werden sollte. Außerdem widersprach sie Khan mit der Aussage, das Recht auf friedliche Versammlung werde in den Philippinen kaum wahrgenommen. Nach Ansicht der philippinischen Regierung beziehe sich Khans Einschätzung der Unterdrückung von Journalist:innen und der freien Meinungsäußerung möglicherweise nur auf bestimmte Fälle.

Die NTF-ELCAC wies die Feststellungen der UN-Expertin als „Lügen“ zurück, obwohl Menschenrechtsorganisationen und der Oberste Gerichtshof der Philippinen Behauptungen über „Red-tagging“ und damit verbundene Missbräuche bestätigt haben.

Khan stellte abschließend fest, dass die Philippinen zwar über eine lebendige Zivilgesellschaft und aktive Medien verfügen, die staatliche Unterdrückung jedoch weiterhin einen Schatten auf diese Freiheiten wirft. Sie appellierte an die philippinische Regierung, zivilgesellschaftliche Gruppen zu fördern, anstatt sie ins Visier zu nehmen, und hob deren wichtigen Beitrag zu einem umfassenden Reformprozess hervor.

 

Foto Ⓒ Mathias Reding on Unsplash

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