Fachtagung “Demokratie – kein Garant für Menschenrechte. Unterdrückung von Zivilgesellschaft in den Philippinen”

22. September 2015 | Aktuelles

Konferenzbericht

Unter dem Titel “Demokratie – kein Garant für Menschenrechte. Unterdrückung von Zivilgesellschaft in den Philippinen” hatte das Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen vom 21.-22. September 2015 zu einer internationalen Tagung nach Berlin eingeladen. Vertreter aus Zivilgesellschaft und Kirchen aus den Philippinen und Deutschland trafen sich, um die aktuelle Menschenrechtssituation in den Philippinen zu analysieren und Strategien zu entwickeln, wie schwere Menschenrechtsverletzungen sowie die immer noch fast absolute Straflosigkeit beendet werden könnten.

Im Fokus stand dabei das widersprüchliche Bild, dass die Philippinen einerseits oft als Vorreiter für Demokratie und Menschenrechte in Südostasien betrachtet werden. Doch andererseits sind jene Teile der philippinischen Zivilgesellschaft, die Kritik am fest verwurzelten Klientelismus, an Umweltzerstörungen durch internationale Bergbaukonzerne, der Ausbeutung durch Großgrundbesitzer und den vielen anderen großen und kleinen Ungerechtigkeiten üben, bedroht.

Mitglieder systemkritischer Parteilisten, progressive LokalpolitikerInnen, UmweltaktivistInnen, Bäuerinnen und Bauern der Agrarreformbewegung, Indigene der Antibergbaubewegung und engagierte Kirchenleute werden als Staatsfeinde denunziert und Opfer von Kriminalisierung und politischen Morden. Auf der Fachtagung wurden die Hintergründe dieser Menschenrechtsverletzungen an MenschenrechtsverteidigerInnen und politischen AktivistInnen in den Philippinen dargestellt, Entwicklungen nachgezeichnet und Interventionsmöglichkeiten diskutiert.

Die Tagung wurde durch Prälat Martin Dutzmann, dem Bevollmächtigten des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, eröffnet, der seine Betroffenheit über Einschüchterung und Gefährdung von kirchlichen Mitarbeitern in den Philippinen zum Ausdruck brachte und betonte, wie elementar der Einsatz für Menschenrechte für die Kirchen in Deutschland und weltweit sei.

Das erste Panel der Tagung setzte sich mit der Rolle und den Möglichkeiten der Zivilgesellschaft in einer unvollkommenen Demokratie wie den Philippinen auseinander. Sonny Africa vom philippinischen Think Tank IBON Foundation attestierte seinem Heimatland den Status einer eher schwachen Demokratie, in der die politischen Dynastien und Großgrundbesitzer die Macht in den Händen hielten. Der größte Teil der Bevölkerung lebe weiter in Armut, während die von der Regierung betriebene neoliberale Politik und die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme die Situation eher verschlechtere. Die Zivilgesellschaft nehme dabei verschiedene Rollen

ein: Einer kleinen Minderheit von Organisationen, die politische Forderungen nach tiefgreifenden Reformen stellen würden, ständen viele NGOs gegenüber, die als soziale Service-Provider staatliche Aufgaben übernehmen und dadurch das System stützen würden. Carolijn Terwindt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) präsentierte in ihrem Vortrag die Ergebnisse der Studie „Nichtregierungsorganisationen in partiellen Demokratien unter Druck“, in der auch das Beispiel der Philippinen untersucht wurde. Sie unterstrich, dass sich zivilgesellschaftliche Akteure in schwachen Demokratien besonderen Formen von Repressionen ausgesetzt sehen, die sich von denen in Autokratien unterscheiden.

Vergleichsweise wenig seien sie z.B. von speziellen Anti-NGO-Gesetzen betroffen, wie sie beispielsweise aus Russland bekannt sind. Stattdessen sähen sie sich oft Gewalt ausgesetzt, obwohl wie in den Philippinen formal gute Gesetze sie davor schützen sollten. Allerding seien nicht alle NGOs gleichermaßen von Repression betroffen. So hätten besonders solche Organisationen unter Repressionen zu leiden, die lautstark politische Forderungen stellen würden, während NGOs, die dem Staat soziale Aufgaben abnehmen oft unbehelligt blieben.

Im zweiten Panel wurden Fallbeispiele aus den Bereichen Bergbau und Landreform präsentiert und diskutiert. Edel Garingan von der Anti-Bergbau Kampagne der Philippine Misereor Partnership (PMPI) berichtete über Repressionen gegen Bergbaugegner in den Philippinen. Obwohl der Bergbau selbst keinen substantiellen Beitrag zur philippinischen Wirtschaft liefere, wurde er von verschiedenen Administrationen gefördert. Dabei käme es im Zuge von Bergbauprojekten immer wieder zu schwersten Menschenrechtsverletzungen.

Diese betreffen die Rechte der Indigenen, den Einfluss von Bergbau auf Wasserquellen, Bedrohung der Lebensgrundlagen wie Fischerei und Landwirtschaft, Landnahme, aber auch Einschüchterungsversuche, Übergriffe und Morde. So wurden allein 2014 15 Umwelt- und Landrechtsaktivisten getötet, von denen 9 Anti-Bergbau-Aktivisten waren. Die weiterhin nicht abgeschlossene Landreform und die Repressionen gegen diejenigen, die dafür kämpfen war das Thema der Präsentation von Aurea Miclat-Teves, Präsidentin des Peoples Development Institute in Manila. Historisch durch die spanische Kolonialzeit und amerikanische Besetzung bedingt sei die Landreform trotz Verankerung in der philippinischen Verfassung noch immer durch die politische Elite blockiert, die als Großgrundbesitzer in erster Linie ihre eigenen Interessen durchsetzen würden.  Zudem werde eine Umsetzung der Landumverteilung durch permanente Einschüchterungsversuche und Gewalt gegen Landreformaktivisten, Bauernführer, NGOs und ländliche Gemeinschaften verhindert. Als Strategie gegen Repressionen schlug sie einen integrierten Ansatz aus lokalen, nationalen und internationalen Kampagnen vor.

Bischof Reuel Marigza, Generalsekretär der United Church of Christ in the Philippines (UCCP) berichtete ausführlich über die politische Verfolgung von Pfarrern und Mitgliedern seiner Kirche seit dem Ende der Marcos-Diktatur und zog eine besonders bedrückende Bilanz der Amtszeit von Präsident Aquino. „Die Straflosigkeit wurde nicht beendet. Die Einschüchterung von politischen Aktivisten hat sich intensiviert“. Er dankte dem Aktionsbündnis für dessen Unterstützung und rief dazu auf, den internationalen Druck auf die philippinische Regierung zu erhöhen. Zharmai Garcia vom Center for International Law in Manila berichtete über die Situation von Journalisten in den Philippinen, die Kriminalisierung und Gewalt ausgesetzt sind, obwohl die Presse eigentlich als die freieste in Asien gilt. Die Tötung von Journalisten und Verleumdungsklagen gegen diese seien die beiden größten Probleme, die die Pressefreiheit in den Philippinen bedrohen. Die Hintermänner hinter solchen Taten seien oft Lokalpolitiker und in deren Dienst stehende Polizisten und Schlägerbanden. Sie beendete ihren Vortrag mit dem Fazit, dass der tatsächliche Schutz und die Umsetzung der freien Meinungsäußerung weit entfernt von den Garantien in der Verfassung und dem Internationalen Recht seien. Wirklicher Schutz der Journalisten sei nur durch gemeinsame Anstrengungen von Legislative, Exekutive und der Judikative zu erreichen.

Nach einer kurzen Rekapitulation des Vortages stand am Vormittag des zweiten Tages das philippinische Justizsystem im Fokus. Cristina Palabay, Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation KARAPATAN berichtete zunächst über Straflosigkeit von Menschenrechtsverstößen gegen Menschenrechtsverteidiger. Unter den knapp 1500 Opfern extralegaler Hinrichtungen aus den Amtszeiten von Arroyo und Aquino waren über ein Drittel Menschenrechtsverteidiger. Während die Hintermänner dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, machten sich staatliche und private Akteure das dysfunktionale Justizsystem zunutze, indem sie unliebsame Opposition mit gefälschten Anklagen einschüchtern würden. Kämen die korrupten Politiker doch einmal ins Gefängnis, so würden sie weit besser behandelt als andere Insassen. Dennoch habe man durch Informationen, Bildung, Kampagnen, Training und Massenaktionen in den Philippinen und weltweit einiges auf dem Weg zur Abschaffung von Straflosigkeit erreicht. Emerlynne Gil aus dem Asienbüro der International Commission of Jurists in Bangkok stellte die Ergebnisse des Berichts “Criminal Law Provisions in the Philippines related to National Security and their Impact on Human Rights Defenders” vor.

Ihr Vortrag machte deutlich, dass obwohl die Philippinen international oft für ihre gute Menschenrechtsgesetzgebung gelobt werden, gerade die im Zuge des Kampfs gegen den Terror verschärften Sicherheitsgesetze zum Teil als Bedrohung der Menschenrechte betrachtet werden müssen. Insbesondere kritisierte sie den Human Security Act von 2007 für seine unklare Definition von Terrorismus, von der die Gefahr ausgehe, dass sie auch gegen friedliche Opposition eingesetzt werden könnte. Auch im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gäbe es gesetzliche Einschränkungen, die nicht mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar wären.

Zum Abschluss ihres Vortrags machte Gil eine Reihe von konkreten Gesetzesänderungsvorschlägen, die diese Defizite beseitigen könnten. Johannes Icking, Koordinator des Aktionsbündnisses Menschenrechte – Philippinen stellte in seinem Vortrag Hintergründe der Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern durch konstruierte Anklagen dar. So sei zwar die Zahl politischer Morde in der Tat in den letzten Jahren zurückgegangen, gleichzeitig seien aber gefälschte Anklagen gegen politische Aktivisten weiterhin eines der häufigsten Repressionsmittel zur Unterdrückung zivilgesellschaftlichen Engagements. Besonders häufig würden dabei friedliche Menschenrechtsverteidiger vom Militär als kommunistische Rebellen denunziert und dann unter teilweise abstrusen Behauptungen angeklagt. Wegen des dysfunktionalen philippinischen Justizsystem mit seinen langanhalten Verfahren, sei dies ein effizienter Weg Kritiker mundtot zu machen, der auch wenig internationale Aufmerksamkeit errege.

Die Konferenz endete mit einer Abschlussdiskussion, an der neben Sonny Africa, Cristina Palabay und Sister Crescenia Lucero von der Organisation Taskforce Detainees of the Philippines (TFDP) als Vertreter der philippinischen Zivilgesellschaft auch Jens Wagner vom Menschenrechtsreferat des Auswärtigen Amts teilnahm. Wagner präsentiert zunächst die Einschätzung des Auswärtigen Amts zur Menschenrechtslage in den Philippinen. Demnach nimmt auch die Bundesregierung den Widerspruch zwischen einem demokratischen politischen System einerseits und den immer noch massiven Menschenrechtsverletzungen andererseits war. Leider hätte sich die Situation unter Aquino auch nur wenig verbessert. Deutschland spräche diese schweren Defizite offen gegenüber der philippinischen Regierung an und unterstütze die Bestrebungen der Justiz- und Sicherheitssektorreform auch finanziell. In der Diskussion betonten die Vertreter der philippinischen Zivilgesellschaft noch einmal ihre Enttäuschung mit der Regierung Aquino, der vor seinem Amtsantritt weitreichende Versprechungen gemacht hatte, die Menschenrechtssituation zu verbessern.

Demgegenüber hätte sich die Situation in seiner Amtszeit aber nur wenig verbessert. Trotzdem erklärten alle Diskussionsteilnehmer, dass ihre Enttäuschung und Frustration nicht zu Tatenlosigkeiten führen werden. Das könne man sich gar nicht leisten.

Das vollständige Programm finden Sie hier.

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