Nach rund 17 Tagen im Gewahrsam des philippinischen Militärs (Armed Forces of the Philippines/AFP) wurden die beiden entführten Umweltaktivistinnen Jonila Castro und Jhed Tamayo wieder freigelassen. Die zwei Aktivistinnen wurden am 2. September 2023 von nicht-identifizierten Männern entführt, als sie sich für Konsultationen mit von Landgewinnungsprojekten betroffenen Gemeinschaften in Orion in der Provinz Bataan vorbereiteten. Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte die National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC) am 19. September 2023 die zwei verschwunden gelassenen jungen Aktivistinnen. Die NTF-ELCAC erklärte, Castro und Tamayo hätten die Hilfe des Militärs gesucht und freiwillig ihre Zugehörigkeit zur kommunistischen Rebellengruppe, die New People’s Army (NPA), verlautbart.
Die beiden Aktivistinnen widersprachen jedoch den Aussagen des Militärs zu ihrem Verschwinden und konterten, dass sie gegen ihren Willen von Soldaten entführt und tagelang festgehalten wurden. Die NTF-ELCAC beschuldigte Castro und Tamayo anschließend, dass sie von den beiden Aktivistinnen auf ihrer eignen Pressekonferenz “getäuscht” wurden. Die zwei gaben bekannt, dass sie ihren Kampf gegen Landgewinnungsprojekte in der Manila Bay fortführen werden und sich weiterhin für die Rechte der Betroffenen einsetzen werden. Diese rund 22 Landgewinnungsprojekte der philippinischen Regierung zielen darauf ab, entlang des Manila Bay – von Metro-Manila bis Calabarzon durch das Auffüllen von Steinen, Zement, Ton oder Erde aus nahe gelegenen Gewässern neue Landmasse zu schaffen. Scharfe Kritik wird v.a. von Umweltgruppen geäußert, da die Schäden für Umwelt und den dort angesiedelten Gemeinschaften durch solche Landgewinnungsprojekte als höchst problematisch eingestuft werden.
Die Fälle von erzwungenen Verschwindenlassens von Menschenrechtsaktivist:innen scheinen unter der Regierung von Präsident Marcos zuzunehmen. Die seit dem 28. April 2023 vermissten Aktivisten aus den Kordilleren, Gene de Jesus und Dexter Capuyan, bleiben trotz der kontinuierlichen öffentlichen Aufrufe ihrer Angehörigen und Freund:innen zur Freilassung der beiden verschwunden.
Der Freispruch des inhaftierten ehemaligen Militärgenerals Jovito Palparan am 6. Oktober 2023 im Fall der Manalo-Brüder, Raymond und Reynaldo, die am 14. Februar 2006 durch Palparan gewaltsam verschwunden gelassen und in unterschiedlichen Militärcamps über 18 Monate gefoltert wurden, unterstreicht die anhaltenden „Kultur der Straflosigkeit“ in den Philippinen. Das Gericht entschied sich für den Freispruch, weil die Identifikation der Männer, welche die Manalo-Brüder entführt hatten, nicht eindeutig genug war. Die Menschenrechtsgruppe Karapatan verurteilte Palparans Freispruch scharf, insbesondere weil die Aussagen der Manalo-Brüder bereits zuvor von unterschiedlichen Gerichten sowie dem obersten Gericht angenommen worden sind.
Palparan wurde schon 2018 wegen der Entführung und dem rechtswidrigen Festhalten der zwei Studentinnen Sherlyn Cadapan und Karen Empeño im Juni 2006 zu einer Haftstrafe von 40 Jahren verurteilt. Raymond Manalos Aussage war maßgeblich für die Verurteilung Palparans im Fall der zwei Studentinnen. Manalo bestätigte, er habe Cadapan und Empeño in einem Militärcamp getroffen und sogar deren brutale Folter bezeugt. Die zwei Student:innen hatte ihm von Vergewaltigungen durch Soldaten und der kontinuierlichen, grausamen Folter – auch durch Palaparan selbst – erzählt.
In Bongabong in der Provinz Mindoro Oriental wurden am 19. September 2023 nach Angaben von Karapatan-Southern Tagalog drei junge Verteidiger:innen von Indigenen Rechten, namentlich Job Abednego David, Peter del Monte Jr. und Alia Encela, verschwunden gelassen. Die drei Aktivist:innen seien Karapatan zufolge von dem 4. Infanterie Battalion unter der 203. Infanterie Brigade der AFP in Bongabong entführt worden. Die AFP hingegen verneinte, dass die drei von staatlichen Sicherheitskräften entführt worden sind, sich jedoch im Militärgewahrsam befinden, weil sie angebliche NPA-Mitglieder sind.
Kongressabgeordneter Raoul Manuel von der Partei Kabataan drückte große Sorge über die Entführungen von jungen Aktivist:innen aus. Manuel zufolge seien seit dem Amtsantritt von Präsident Marcos Jr. am 30. Juni 2022 mindestens 15 Fälle von erzwungenen Verschwindenlassen gemeldet worden, wovon acht junge Aktivist:innen gewesen seien.
Foto © Raffy Lerma