Das Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen (AMP) äußert große Besorgnis über die Kriminalisierung von vier Mitarbeiter/innen der Philippine Misereor Partnership Inc. (PMPI), die unter dem `Cybercrime Prevention Act´ von 2012 der Verleumdung beschuldigt werden. Die Anklage wurde von der Hinatuan Mining Corporation (HMC) eingereicht, die ein umstrittenes Bergbauprojekt auf Manicani Island, Guiuan, Eastern Samar verfolgt, gegen das sich das PMPI einsetzt.
Das PMPI ist ein Netzwerk aus rund 250 Nichtregierungs- und Basisorganisationen aus den ganzen Philippinen und Misereor, dem Entwicklungs- und Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland. Es engagiert sich für nachhaltige Entwicklung und sozialen Wandel und fördert den Austausch von Fachkompetenzen und Erfahrungen unter den Mitgliedsorganisationen bei der Bewältigung gemeinsamer entwicklungspolitischer Themen und Anliegen. Im Rahmen seiner Anti-Bergbaukampagne unterstützt das PMPI die lokale Initiative Save Manicani Movement (SAMAMO), welche sich gegen die Wiederaufnahme eines großen Bergbauprojekts auf der Insel einsetzt, weil dieses verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensbedingungen der Bevölkerung haben würde. Der Konzern HMC begann 1992 mit dem Abbau von Nickel auf Manicani, beendete diesen aber nach ein paar Jahren aufgrund sinkender Rohstoffpreise. SAMAMO befürchtet, dass der Konzern seine Bergbauarbeiten, trotz eines Verbots der Lokalregierung, wieder aufnehmen könnte.
HMC beschuldigt das PMPI wegen eines auf ihrer Internetseite dokumentierten Vorfalls der verleumderischen Aussage. Am 20. Juni 2015 hatte ein Schiff des Konzerns drei Fischerboote zerstört, die dieses an der Einfahrt in den Hafen von Manicani Island hindern wollten. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Zuvor hatte SAMAMO Hinweise erhalten, dass das Schiff schwere Baugeräte geladen habe, die für die Wiederaufnahme des Bergbauvorhaben gedacht seien.
Das PMPI veröffentlichte verschiedene Erklärungen, in denen es den Vorfall verurteilte. Am 1. September 2015 reichte der HMC Angestellte Arnilo Milaor eine Anzeige beim Staatsanwalte von Taguig City ein. In dieser wird das PMPI beschuldigt, verleumderische Aussagen über die HMC zu verbreiten. Vier Mitarbeiter/innen des PMPI werden namentlich als beklagte Personen erwähnt: Yolanda Esguerra, PMPI-Nationalkoordinatorin und die drei Mitarbeiter der Anti-Bergbaukampagne Candy Hidalgo, Edel Garingan und Victor Morillo. Das PMPI hingegen bekräftigt weiterhin, dass ihre Aussage wahrheitsgetreu und nicht verleumderisch sei. Die beschuldigten Mitarbeiter/innen erfuhren erst aus einem Zeitungsartikel von den gegen sie erhobenen Vorwürfen und wurden erst über einen Monat nachdem die Anzeige eingereicht wurde vom Staatsanwalt darüber informiert.
Die Anzeige gegen das PMPI basiert auf dem umstrittenen `Cybercrime Prevention Act´ (Republican Act No. 10175), welcher die Veröffentlichung von verleumderischen Aussagen im Internet unter Strafe stellt. Der philippinische Kongress verabschiedete das Gesetz 2012 trotz massiver Proteste der Zivilgesellschaft und obwohl der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen vorher festgestellt hatte, dass schon der bereits existierende Strafbestand der Verleumdung das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 19 des UN-Zivilpakts (ICCPR) verletze.[1] Das Cyber-Kriminalitätsgesetz sieht dabei eine höhere Strafe vor, wenn die verleumderische Aussage mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien verbreitet wird als wenn sie offline geschieht. Während eine Verleumdung im Internet mit 4 bis zu 12 Jahren Gefängnis bestraft wird, steht auf normale Verleumdung 6 Monaten bis 4 Jahren Gefängnis. Bewährung kann in den Philippinen nur dann gewährt werden, wenn die Haftstrafe unter 6 Monaten liegt. Jemand, der der Cyber-Verleumdung für schuldig befunden wird, muss also zwangsläufig eine Haftstrafe ableisten.
Meinungsfreiheit und das Recht auf politische Partizipation durch die Mitgestaltung öffentlicher Angelegenheiten sind Grundrechte und durch internationales Recht geschützt. Die Gewährleitung und der Schutz dieser Rechte sind unverzichtbar für Menschenrechtsverteidiger/innen wie das PMPI, um ihre Arbeit nachgehen zu können. Der Straftatbestand der Verleumdung ist dabei besonders missbrauchsanfällig und wird häufig verwendet, um die Meinungsfreiheit von Menschenrechtsverteidiger/innen einzuschränken. Schon die bloße Androhung von Gefängnisstrafen für sich hat dabei eine abschreckende Wirkung auf die freie Meinungsäußerung. Strafprozesse in den Philippinen, die sich in der Regel über mehrere Jahre hinziehen sind extrem teuer in Bezug auf Zeit und Ressourcen für den/die Angeklagten sind, behindern damit weiter die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger/innen. Verleumdung als Straftat zu definieren, wie dies im `Cybercrime Prevention Act´ geschieht, ist deshalb nicht zu rechtfertigen. Der `Cybercrime Prevention Act´ stellt damit eine weiteres Mittel dar, um Menschenrechtsverteidiger/innen in den Philippinen zu schikanieren.
Empfehlungen
Die philippinische Regierung soll:
- die Staatsanwaltschaft anweisen die Anklage gegen das PMPI unverzüglich und sorgfältig zu überprüfen und diese abzuweisen wenn kein ausreichender Klagegrund besteht,
- Staatsanwälte in den ganzen Philippinen anweisen, Menschenrechtsverteidiger/innen vor unberechtigter, strafrechtlicher Verfolgung zu schützen,[2]
- alle Gesetze zurücknehmen, die Verleumdung unter Strafe stellen, insbesondere Artikel 353 bis 355 und Artikel 358 bis 362 des Revised Penal Code sowie Abschnitt 4(c)(4) des `Cybercrime Prevention Act´. Das Gesetz soll dahingehend geändert werden, dass, wie vom UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit empfohlen, ausschließlich zivilrechtliche Schadensersatzverfahren zur Wiedergutmachung von Rufschädigung angestrengt werden können,[3]
- sicherstellen, dass Menschenrechtsverteidiger/innen in den Philippinen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Partizipation an öffentliche Angelegenheiten uneingeschränkt genießen können.
Erklärung zur Verleumdungsklage gegen Mitarbeiter/innen des PMPI (pdf – englisch)
[1] Human Rights Committee, Communication No. 1815/2008, “Adonis vs. The Philippines”, UN Doc. CCPR/C/103/D/1815/2008, 27. January 2011.
[2] Philippine Department of Justice – National Prosecution Service, Manual for Prosecutors, Part III, Sec 2(a).
[3] Bericht des UN-Sonderberichterstatters für die Förderung und den Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung, UN Doc. A/HRC/14/23 (2010), para. 83.